Gegendarstellung zu Buschingers Kritik
Werter Herr Buschinger,
es ist schon etwas bedauerlich, in welcher Form Sie mit Ihren kritischen Äußerungen auf den Markt gehen. Wir sind uns bisher nicht begegnet, es ist eine neue Erfahrung einen Kollegen aus einer anderen Fachrichtung so kennen zu lernen.
Als Wissenschaftler bin ich es gewohnt, mich mit Kollegen auf gleicher Augenhöhe zu unterhalten, Daten vorzulegen, ihre Reproduzierbarkeit zu überprüfen und auch überprüfen zu lassen, entwickelte allgemeine Aussagen auf ihre Zuverlässigkeit zu testen und testen zu lassen. Grundprinzipien der Wissenschaft, die ich Ihnen nicht zu erläutern brauche.
Ein weiteres Grundprinzip ist, dass Kritik und die gewünschte Auseinandersetzung mit neuen wissenschaftlichen Ergebnissen auf Kenntnis der Datenlage beruht. Und hier, so können Sie nach Durchlesen des gesamten Textes vielleicht beurteilen, setzt bei mir ein gewisses Unbehagen ein. Ihnen ist weder die Datengrundlage meiner Untersuchungen bekannt, noch besitzen Sie geologische Kenntnisse, um die vorgestellten Zusammenhänge zu beurteilen. Und dann gibt es noch den Roman, Die Flucht der Ameisen, den Sie nicht gelesen haben.
Das ist Ihre Grundlage um zu einem gemischten Straus von Aussagen zu gelangen wie Neues Märchen über Waldameisen, wissenschaftliche Verbrämung, Science Fiction,
die selbe Kategorie wie
Reizzonen ... von auserwählten Wünschelrutengängern
bestimmt.
Ich war geneigt, dieses Kleinod an argumentativen Unsinn zu ignorieren, stammte es nicht von einem Kollegen, von dem ich Unterstützung und fachlichen Beistand erhofft hatte. Ich habe immer noch die Hoffnung, auch Sie Herr Buschinger, anhand der Datenlage und womöglich gemeinsamer Exkursionen zu überzeugen.
Zur Wissenschaft: Seit mehr als 3 Jahren verfolge ich das Phänomen Standorte hügelbauender Waldameisen auf geologischen Störungen. Die Ergebnisse werden in Kürze veröffentlicht, ich werde Ihnen einen Sonderdruck zusenden. Die Schwierigkeiten, etwas derart Neues an den Mann/die Frau zu bringen, können Sie allein an der Existenz dieses Schreibens ersehen. Die Untersuchungen beziehen Standorte in Mitteleuropa von Südschweden bis zum Zentralmassiv und den Alpen ein. Alle Standorte sind mit Koordinaten dokumentiert, für jeden der wirklich interessiert ist, nachvollziehbar (die Daten werde ich nach Publikation ins Netz stellen). Die geologischen Daten stammen überwiegend von anderen Bearbeitern, in der Eifel sind es z.T. eigene Ergebnisse.
Untersucht wurden:
Eine alte Kontinentgrenze, an der Teile von Nordeuropa und Mitteleuropa gegeneinander bewegt wurden (Tornquist-Zone). Sie verläuft durch Norddänemark und Südschweden bis Bornholm. Ergebnis: u.a. größte gefundene Nester (> 2 Meter Höhe), größte Anzahl auf dichtestem Raum, inmitten sehr dichter alter Nadelholzwälder (kaum Lichteinfall), Bautenhöhe in strenger Korrelation zum Angriff des Windes, in Dänemark Nestreihen vom alten Kiefernwald über die Buschzone bis in die Krautzone der Nordseedünen.
Nordseeinsel Amrum, Wesenberg in Mecklenburg-Vorpommern - Besonderheit: Störungsausbildung des Deckgebirges durch aufsteigendes Salz. Unregelmäßige Bruchflächenbildung, z.T. Cluster von Nestern (Wesenberg).
Hils-Mulde
Hessische Senke
Niederrheinische Bucht (Raesfeld-Erle, Kirchhellen-Dorsten)
Rheinisches Schiefergebirge (Schwerpunkt Mittelrhein)
Bayerischer Pfahl (> 160 km lange Quarzmauer entlang sehr alter Störungszone. Sie können die Hand auf die Grenze Nebengestein (Pfahlschiefer) Quarzmauer legen. Hier, und nur hier finden sie die Ameisennester.)
Schwarzwald (bilderbuchhafte Nestreihen durch alle Vegetationsformen)
Südrand der Vogesen (Übergang Oberrheingraben in den Bresse/Rhonegraben)
Hohenzollerngraben (hier konnte ich kürzlich ein Zusammentreffen von zwei beflügelten Ameisenschwärmen beobachten (eine rote und eine schwarze Art), die sich gegenseitig auf dem Schotterweg bekämpften, genau auf dem Kreuzungspunkt des Weges mit einer Störungszone GK 34 96352 / 53 54755, Ecke Wasserwerk westl. Burg Hohenzollern (die im angrenzenden Wald durch zwei Nester belegt war))
Alpen (Gran Paradiso), Nester entlang sichtbarer Störungen im anstehenden Fels
(Französisches Zentralmassiv - Auswertung muss noch erfolgen)
Die Datenlage ist derart eindeutig, dass es sich in allen beobachteten Fällen um keinen Zufall handeln kann. Im Gegenteil. Aus den bisher gewonnenen Erfahrungen ist es möglich, sehr verlässliche Vorhersagen über mögliche Standorte anzustellen. Ich habe es oft genug in mir unbekanntem Gelände vorgeführt. Vorausgesetzt, ich habe eine geologische Karte und Kenntnisse über die tektonische Aktivität (s.u.). Ich bin jederzeit bereit, dies in für mich neuen Gebieten zu demonstrieren. Durch die Kenntnis der Zusammenhänge zur Geologie finden wir Nester an Standorten, wo nie ein Ameisenforscher entsprechende Bauten vermuten würde (an z.T. abenteuerlichen Orten wie an Schlägelmäher-gemähten Straßenrändern, Privatgärten, im Hangschutt von Steilhängen, Kiesinseln inmitten von Hochgebirgsbächen, reinen Erdnestern in Windschneisen u.v.m.).
Was sind das für Störungen, auf denen die Nester angelegt werden?
Es gibt drei verschiedene Haupttypen tektonischer Störungen. 1. Die Abschiebung (im Mittel um die 60 Grad aus der Horizontalen geneigt), an der ein Krustenblock gegen einen anderen abwärts bewegt wird, 2. die Aufschiebung mit entgegen gesetzter Bewegungsrichtung (im Mittel flacher geneigt) und 3. die Seitenverschiebung, die im Mittel senkrecht (90°) steht aber auch vereinzelt 70° Neigung oder weniger haben kann. An letzterer werden die Krustenblöcke gegeneinander bewegt (wie zwei Umzugskartons, die auf dem Fußboden gegeneinander verschoben werden). Das heißt, durch die Bewegung der Blöcke gegeneinander bildet sich eine Bruchfläche aus. Durch leichte Krümmungen der gegeneinander bewegten Bruchflächen entstehen flache Hohlräume die für den Transport von Gasen und Flüssigkeiten aus der Tiefe (sie erreichen z.T. mehrer km Tiefe) genutzt werden. Aus den Flüssigkeiten und Gasen bilden sich Minerale, die nach einiger Zeit alles verstopfen, wie der Kalk in der Wasserleitung. Nur das neue Aufreißen, häufig durch kleinste Erdbeben signalisiert, öffnet erneut diese flächigen Hohlräume.
Es gibt Standorte, da gibt es keine Information über die Geologie bzw. Störungen im Untergrund. Dennoch treten hier Nester auf (s. Ihre Anmerkung). Wir haben hierfür die Möglichkeit, die Bodenluft in ca. 80 cm Tiefe zu entnehmen und mit einem Massenspektrometer auf Helium zu untersuchen. Helium in erhöhter Konzentration ist ein sicherer Hinweis auf eine tiefreichende Störungszone, weil es über die Wegsamkeiten aus der Tiefe aufsteigt und die Bodenluft anreichert. Es ist somit in erster Linie nur eine Kartierhilfe für die Geologen. Es ist gut möglich, dass die Ameisen damit überhaupt nichts anfangen können. Wir haben an verschiedenen Standorten in unseren Messungen im Umfeld der Nester immer erhöhte Heliumwerte gefunden. Ausnahmen waren umgesiedelte Nester, die durch Drahtverbaue zu erkennen waren. Sie waren allerdings abgestorben. Die Ergebnisse haben uns viel Mut gemacht.
Die Geländeuntersuchungen zeigen eindeutig, dass die senkrecht stehenden Störungszonen für den Nestbau bevorzugt sind (nicht die Klüfte im Gestein, die nur eine kurze Erstreckung in die Tiefe haben). Störungen können sehr komplex sein. Sie variieren in der Breite, fächern auf oder kreuzen sich. An Kreuzungszonen oder aufgefächerten Störungen mit vielen Sekundärstörungen (Riedel shears) hört die lineare Verbreitung der Nester auf. Hier gibt es die viel beschriebenen Cluster, Gruppierungen von Nestern ohne linearen Zusammenhang. Besitzen die Störungszonen eine Neigung (z.B. 70°), verlaufen sie in morphologisch gegliedertem Gelände in gekrümmten Bahnen. Um diese Verhältnisse zu erkennen und richtig deuten zu können, benötigt man schon etwas Erfahrung in dreidimensionaler Vorstellung.
Es gibt sehr schöne Beispiele, wie eine Nesterreihe auf einen Teich (oder Bach) zuläuft, das letzte Nest im Verlandungsbereich gebaut ist (mit Grundwasser in wenigen Zentimetern Tiefe) und genau gegenüber am anderen Ufer im Verlandungsbereich wieder einsetzt. Das ist für mich das stärkste Faktum gegen Ihr Feuchtigkeitsargument. Ein Bezug von Standorten zu Seerändern oder Fließgewässern ist nirgends zu erkennen.
Gleichzeitig zeigt es, dass unsere erste Vermutung, dass aufsteigende höher temperierte Luft im Winter einen Vorteil für die Bauten bringt, nicht ausschlaggebend sein kann. Das funktioniert in Bereichen mit höher liegendem Grundwasser nicht. Mit Kollegen aus der Mikrobiologie haben wir mögliche Nutzung von Biofilmen in den Hohlräumen diskutiert und aus demselben Grund wieder verworfen. Als nächstes folgten Überlegungen zur Nutzung von Gasen, die durch das Grundwasser aufsteigen und Vorteile bringen könnten. Untersuchungen mit Geochemikern zur Gaschemie brachten erste interessante Ergebnisse. Wir haben in der Eifel einen Quarzgang (der eine Störungszone dokumentiert), der einen Forstweg quert und durch den Wegebau tief eingefräst ist. Auf den Höhen der steilen Flanken sitzt auf beiden Seiten je ein Ameisennest, genau auf dem Quarzgang. Wir werden hier direkt wenige Meter unter den Nestern Gasproben entnehmen und auf Spurengase analysieren. Vielleicht gibt es Komponenten, die die Tiere nutzen (z.B. Chlor-, Fluor- oder Bromverbindungen) oder für die sie sensitiv sind, d.h. dass sie sie zur Ortung der Nestgründung benötigen. Hierfür gibt es bereits Absprachen zu Untersuchungen mit Ihren Kollegen aus der Physiologie.
Aus meinen Kenntnissen zur Geophysik habe ich aber eine andere Arbeitshypothese! entwickelt, die mir sehr spannend erscheint. Als Biologe kennen Sie die Notwendigkeit der rhythmischen Steuerung biologischer Systeme. Neben der bekanntesten Tag-Nachtsteuerung gibt es lunare Zyklen, nach denen sich zahlreiche Tierarten vorwiegend in den Gezeitenbereichen richten. Die biologische Uhr kann aus dem Gleichgewicht kommen, deshalb benötigen diese Lebewesen immer einen Rhythmusgeber als Anstoß. Welchem Rhythmus gehorchen eigentlich die Stoffwechselvorgänge der Ameisen, die im Schwarzwald, den Alpen oder in anderen Regionen im Winter lange Zeit in der Tiefe leben, mit einer dicken Schneebedeckung, ohne Kontakt zur Tages/Nachtzeit und den Temperaturen draußen?
Herr Buschinger! Nehmen Sie eine Plastikflasche voll Wasser und stecken Sie einen Trinkhalm gut abgedichtet in den Deckel. Wenn Sie jetzt seitlich drücken, steigt das Wasser sehr hoch in dem Halm. Je kleiner der Durchmesser, desto höher der Aufstieg. Das gleiche passiert jeden Tag zwei Mal in der Tiefe der Kruste. Gespanntes, unter Druck stehendes Wasser wird in die winzigen Öffnungen der Störungsflächen gedrückt, durch Bewegungen der Erdkruste, die der Mond ihr aufzwingt, 2 Mal am Tag. Es sind die Erdgezeiten, durch die die Kruste ca. 30 Zentimeter vom Erdmittelpunkt weggezerrt wird und zurück sinkt. Das ganze verstärkt sich zu einem Maximum zur Vollmondzeit und Neumondzeit. Keine Science Fiction, das ist Geophysik. Mit dem Wasser werden Gase bewegt, die an der Oberfläche registriert werden können. An der Sensibilität der Ameisen hierfür habe ich keinen Zweifel. Ich vermute, dass es sich herausfinden lässt. Mit anderen Worten, hier liegt eine perfekte Zeitsteuerung vor. Warum sollte sie sich nicht nutzen lassen, z.B. für den Starschuss des gemeinsamen Ausschwärmens, aller benachbarten Nester einer größeren Region. Ein sinnvolles Muss für den Genaustausch.
Aber das sind Überlegungen, für die es ein hohes Maß an interdisziplinärer Forschung bedarf. Etwas, was man nicht mal so nebenbei anstoßen kann. Welcher Gutachter bei den Geldgebern kann das nachvollziehen? Und hiermit komme ich zu dem Roman.
Der Roman ist in erster Linie ein Geologieroman, zur Werbung für die Geowissenschaften und zur Verdeutlichung, dass dieser Zweig, in der Öffentlichkeit völlig unterrepräsentiert, eine enorme Bedeutung hat. Gleichzeitig soll er nachdenklich machen, dass wir uns längst nicht so sicher vor Naturkatastrophen sein können. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines nahen Vulkanausbruchs nicht sehr hoch ist, die Möglichkeit besteht. Da gibt es bei allen Kollegen keinen Zweifel. Darüber hinaus zeigt der Roman die komplexeren Zusammenhänge über die Ameisen auf, die ich oben teilweise geschildert habe. Sie leben direkt auf dem Kanal aus der Tiefe, wie der Storch auf dem Kamin. Sie merken es als erste, wenn sich die Gase von unten ändern (übrigens am Laacher See gibt es einen Campingplatz mit Badestrand).
Und noch ein Wort zu Erdbeben. Wie dargestellt, sind die beobachteten Ameisen die Tiergruppe, die am nächsten an seismisch aktiven Störungen leben. Im Gegensatz zu höheren Tieren (Vögeln, Hunden etc.) denen man eine Sensibilität für Erdbeben-Vorläuferphänomenen nachsagt, sind sie ortsfest und über technische System durchgehend beobachtbar. Ich könnte Ihnen jetzt eine Vorlesung über Phänomene im Vorfeld von Erdbeben halten. Ich halte nichts von Wetten aber ich habe einen gewissen Instinkt. Und der sagt mir, die müssen vor einem Erdbeben reagieren. Wir müssen es bloß erkennen und richtig deuten.
Wenn Sie das Buch einmal in den Händen halten sollten, schauen Sie wenigstens die letzte Textseite an. Hier ist ein Spendenaufruf für die Geowissenschaft platziert und deshalb ist es wünschenswert, dass es viele lesen. Das erhoffte Geld ist verplant für ein Monitoring von Ameisennestern. Schauen Sie nach Kalifornien an die berüchtigte San Andreas Störung. Dort leben Formica Arten in unmittelbarer Nähe.
Ihr etwas verärgerter
Ulrich Schreiber
PS: Ich gehe davon aus, dass Sie diese Gegendarstellung auch auf den weiteren Seiten veröffentlichen, wo Ihre Kritiken erschienen sind.
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