Neue Hoffnung im Kampf gegen invasive Ameisen?
In den T-online-Nachrichten war am 18.9.06 ein Titel zu sehen:
Ameisenplage: Tiere sollen sich selbst töten.
Text:
US-Forscher haben möglicherweise einen Weg gefunden, der Ameisenplage in Kalifornien Herr zu werden. Der Biologe Neil Tsutsui und der Chemiker Kenneth Shea von der kalifornischen Universität in Irvine wollen den Geruch der Tiere verändern und damit einen Bürgerkrieg unter den Ameisen auslösen. Das berichtete die "Los Angeles Times". Die Plage entstand durch eine eingewanderte Ameisenart, die derzeit in riesigen Schwärmen besonders den südkalifornischen Bezirk San Diego heimsucht.
Tiere töten sich gegenseitig
Die Ameisen würden sich untereinander am Geruch erkennen. Würde dieser verändert, dächten die Ameisen, es handele sich bei ihrem Gegenüber um einen Feind. Versuche mit 1200 Ameisen hätten gezeigt, dass die manipulierten Tiere sich gegenseitig bekämpften und töteten, sagten die Forscher. Die Ameisenart, um die es geht, kommt ursprünglich aus Argentinien und wurde 1891 per Schiff in die USA eingeschleppt.
Es geht, wie man ahnen kann, um die Argentinische Ameise,
Linepithema humile, die auch an den Küsten des Mittelmeeres für die einheimischen Ameisen eine Bedrohung darstellt. Ein Bild dazu zeigte allerdings eindeutig eine Waldameisen-Arbeiterin, die eine geflügelte Gyne beleckt.
Im amerikanischen Forum stieß ich auf weitere, eher zutreffende Informationen.
http://www.latimes.com/news/local/la-me ... -headlines
Der Text in der Los Angeles Times vom 18.9.2006 ist nicht ganz einfach zu übersetzen. Grundlage ist ein Bericht der Universität von Kalifornien in Irvine:
UC Irvine Scientists Make Ants Go Ape by Giving Them B.O.
Researchers, looking for an edge against the invasive Argentine species, alter its scent in hopes of triggering a civil war.
By Roy Rivenburg, Times Staff Writer
September 15, 2006
Man will also den Geruch von Argentinischen Ameisen verändern um einen Bürgerkrieg auszulösen. Laut dem Bericht hat man, d.h. ein Chemiker und ein Biologe, fünf für den Menschen ungefährliche Verbindungen isoliert, die bei den Ameisen unterschiedliche aggressive Reaktionen auslösen, wenn man sie Artgenossen auf den Körper aufträgt, von Drohverhalten bis zum Kopfabschneiden.
But researchers at UCI think they've discovered the six-legged insect's Achilles' heels.
(Die Forscher an der UCI glauben, dass sie die Achillesferse der sechsbeinigen Insekten entdeckt haben).
Shea, einer der Forscher, meint: Die vorläufigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass man durch Manipulation der Chemikalien auf der Kutikula der Ameisen deren kooperatives Verhalten stören und letztlich in ihren riesigen Kolonien Bürgerkrieg auslösen kann. Er verweist darauf, dass in den Superkolonien von
Linepithema humile in jedem Frühjahr etwa 90% der Königinnen exekutiert werden (ein länger bekanntes Phänomen A.B.).
Die Argentinischen Ameisen seien 1891 auf Dampfschiffen mit Kaffee und Zucker aus Südamerika in New Orleans eingeschleppt worden. Seitdem haben sie die Mutter-Kind-Familien einheimischer Arten überrannt und das ökologische Gleichgewicht gestört.
Obwohl auch die Fire Ants auf dem Vormarsch sind, bleiben die Argentinischen Ameisen die häufigsten Arthropoden in Kalifornien.
Synthetisch hergestellte Ameisendüfte könnten schließlich in Sprays oder Köder eingearbeitet werden, die von den Ameisen ins Nest getragen werden und dort ein unterirdisches Armageddon auslösen, so Tsutsui.
But homeowners expecting relief from the persistent pests shouldn't get their hopes up. Finding the most potent ant rage elixir could take several years, said Miriam Brandt, a postdoctoral researcher on the project.
(Hauseigentümer allerdings, die sich eine Entlastung von den hartnäckigen Schädlingen erwarten, sollten sich nicht zu früh Hoffnung machen. Das wirksamste Mittel herauszufinden könnte einige Jahre dauern, sagt
Miriam Brandt, eine als Postdoc in dem Projekt tätige Forscherin). Und auch dann sei das Optimum, was man versprechen könne, eine Reduktion der Population, keine Ausrottung.
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So viel zu den Berichten. Ich muss wieder einmal kritisch anmerken, dass es zunehmend Mode wird, Forschungsergebnisse oder, wie hier, gerade angelaufene Vorhaben, zum Teil reißerisch über die Medien publik zu machen, oft entsprechend verfälscht und lange bevor fundierte, nachprüfbare Daten in der Fachpresse vorgelegt werden. Das ist heute leider keine Ausnahme mehr.
Sehr erfreut, ja ein bisschen stolz, bin ich jedoch über die kritischen Anmerkungen am Ende des Berichts: Sie stammen von der Deutschen Miriam Brandt, die ich gut kenne: Sie hat ihre Doktorarbeit in Regensburg angefertigt, bei Prof. Jürgen Heinze, der wiederum seine Doktorarbeit in Darmstadt bei mir gemacht hatte. Nun ist sie also auf einer Postdoktoranden-Stelle in Kalifornien tätig, um sich dort weiter zu qualifizieren. Ich wünsche ihr den Mut, ihren Gastgebern in gebührender Weise auf die Finger zu sehen!
A. Buschinger
Edit 19.09.06:
Auf eine Rückfrage bei Frau Dr. Brandt erhielt ich per e-mail folgende Antwort (Auszug):
Lieber Herr Buschinger,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich denke, Sie haben den Sachverhalt sehr treffend wiedergegeben. Ihr Anliegen, die Einfuhr exotischer Ameisen zu Haltungszwecken zu unterbinden, kann ich nur voll und ganz unterstützen. Hier in Süd-Kalifornien begegnet man (außer in extrem trockenen Habitaten) ausschließlich Linepithema, und das in unvorstellbaren Mengen, was fatale Konsequenzen für die gesamten Ökosysteme hat. Falls ich Ihnen mit weiteren Informationen helfen kann, sagen Sie einfach Bescheid!
Die Presse ist durch einen Vortrag eines unserer Kollaborateure auf der Tagung der American Chemical Society aufmerksam geworden. Uns war der Rummel eigentlich nicht recht, weil diese Daten zum einen noch nicht veröffentlicht sind, und zum anderen der Eindruck erweckt wird, wir hätten eine Wunderwaffe gegen Argentinische Ameisen entwickelt, was nicht zutreffend ist. Immerhin enthält der LA Times-Artikel keine grundlegend falschen Informationen, auch wenn wir natürlich eine weniger reißerische Wortwahl bevorzugt hätten.